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Balladenzauber

 

Für Kenner der großen Dichter
ausgewählt und zusammengestellt von

 

Magda Förster

Für einen öffentlichen Leseabend der Ernst-Abbe-Bücherei

 

Jena 1965

Wer reitet so spät
durch Nacht und Wind
vor seinem Löwengarten?
Es ist der Vater mit
seinem Kind, das Kampfspiel zu erwarten.

Der Alte sprach zum Jungen:
„Nun sei bereit, mein Sohn,
denk unsrer tiefsten Lieder,
stimm an den vollsten Ton!“

Doch, mit des Geschickes Mächten
ist kein ew’ger Bund zu flechten,
denn es wallet und siedet
und brauset und zischt
hoch im Bogen spritzen Quellen
Wasserwogen,
heulend kommt der Sturm geflogen
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Mein Sohn, das ist ein Edelknecht,
sanft tritt er aus der Knappen
zagendem Chor
Was hör ich draußen vor dem Tor?
Aus dem bewegten Wasser rauscht
ein feuchtes Weib hervor.

Nun schon Wasserströme laufen,
0, du Ausgeburt der Hölle,
soll das ganze Haus ersaufen?

Doch plötzlich legt sich
die wilde Gewalt, und schwarz
aus dem weißen Schaum
und mit Erstaunen und mit Grau’n
sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und horch! Jetzt sprudelt es silberhell
ganz nahe wie silbernes Rauschen
und hinein mit bedächtigem Schritt
ein Löwe tritt
und knurrt: „Sei ruhig, bleibe ruhig mein Kind,
in dürren Blättern säuselt der Wind.“

„Gegrüßet seid mir, edle Herren,
gegrüßt ihr edlen Damen“,
schön Suschen steht da wie ein Stern,
wer kennt nicht ihren Namen?

Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle
lebhaft in das Haus hinein …

Und drinnen waltet
die züchtige Hausfrau,
die Mutter der Kinder,
und herrschet weise
im häuslichen Kreise
und sie tragen die Würste
und Schinken so klein
und Braten und Fische
und Geflügel herein.

Und als der Koch den Fisch zerteilet
kommt er bestürzt
herbei geeilet,
und horch, da fällt von des Altans Rand
ein Handschuh von zarter Hand.

„Ich bin“, spricht jener,
„zu sterben bereit,
ich bitte dich nicht um mein Leben,
das muß ich dem Könige geben!“

Und jammernd hören’s alle Gäste,
die Ritter, die Knappen, um ihn her ---
und klein Roland mit des Vaters Speer ---
Und das Gesindel, husch, husch, husch,
kam nachgeprasselt aus dem Busch!

Und der König winkt wieder:
Seht er läuft zum Ufer nieder,
wo Himmelskräfte auf und nieder steigen
und sich die goldnen Eimer reichen …

An der Hände langer Kette
um die Wette
fliegt der Eimer, hoch im Bogen ---
Da kommen drei Reiter,
sie kommen hervor
die unter dem Bette gehalten ---

Wohin? Wohin? Die Breite schwoll,
das Wasser ist hüben und drüben voll
und in den öden Fensterhöhlen
wohnt das Grauen
und des Himmels Wolken
schauen hoch hinein ---

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Die goldene Kette gib mir nicht,
die Kette gib den Rittern,
ich singe wie der Vogel singt.


Und wie er mit dem Finger winkt,
der König sich darob verwundert schier
und spricht: Der Becher sei dein!
Und reckt die Zunge
und mit gewaltigem Sprunge
gewinnt er das Ufer und
reitet fort!

Arm am Beutel,
krank am Herzen,
kein Damm, kein Feld,
nur hier und dort„
bezeichnet ein Baum,
ein Turm den Ort,
und aus dem hohlen finsteren Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
ihn jagen der Sorgen Qualen.
Doch abgelenkt zum zweitenmalen
ward der Fluß herbeigezogen,
mächtig in ihr altes Bette
schäumten die Busentowogen.
Der Damm verschwand,
ein Meer erbraust‘s,
den kleinen Hügel im Kreis umsaust‘s.

Und die Sonne machte
den weiten Ritt um die Welt ---
und das Wasser schwoll
in die Breite ---
und die Sternlein, sie
sprachen zum lieben Mond:
„Die Jahre fließen pfeilgeschwind“,
und Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
baten: „Laß uns wandeln mit dir,
denn dein milder Schein
verbrennt uns nimmer
die Äugelein!“

Und als der frühe Morgen
im Osten dann ergraut,
da hat ein seltnes Schauspiel
vom Lager man erschaut:

Da kamen bei Nacht,
eh man’s gedacht,
die Männlein und schwärmten:
„Frau Amme, Frau Amme,
das Kind ist erwacht!“

Neben seinen müden Schecken
ruht auf einer wollnen Decken
Prinz Eugen, der edle Ritter.
Du liebes Kind, komm geh mit mir,
ich trage wo ich gehe stets eine Uhr bei mir!
Das Wasser rauscht,
das Wasser schwoll,
da tönt des Nöcken Harfenschall
und - wieder steht der Wasserfall.

Neugierig war des Schneiders Weib
und macht sich diesen Zeitvertreib,
streut Erbsen hin die ganze Nacht ---

Und - sieh nur sieh,
wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt.
Alles rennet, rettet, flüchtet,
taghell ist die Nacht belichtet.
Munter fördert seine Schritte
fern im wilden Forst der Wandrer.
Allzufrüh und fern der Heimat
mußte er sich hier begraben!

Und da stand das Volk der Schnitter.
Auf den Garben,
bunt von Farben,
lag ein Kranz.
Und das junge Volk der Schnitter
flog zum Tanz.

Und es sang ein Chor von Männern:
„Ich liebe dich, mich
reizt deine schöne Gestalt!“
Und Erlkönigs Tochter
ganz leise spricht:
„Der Mensch versuche die Götter nicht!“

Da fasst ein namenloses Sehnen
des Jünglings Herz,
und die Sonne geht unter,
da steht er am Tor
und der König ruft wieder:
„Laßt den Gesang vor
unserem Ohr im Saale widerhallen ---

Dann speit das doppelt geöffnete Haus
zwei Leoparden auf einmal aus.
Sie sangen von Lenz und Liebe …

Da hört man auf den höchsten Stufen
auf einmal eine Stimme rufen:
„0, dass sie ewig grünen bliebe,
die schöne Zeit der jungen Liebe!“
Die Königin, zerflossen
in Wehmut und in Lust,
sie wirft den Sängern nieder
die Rose von ihrer Brust.

„O, tönet fort, ihr süßen
Himmelslieder!
Die Träne quillt,
die Erde hat mich wieder.“

 

Es war ein hartes Stück Arbeit und ich hatte so wenig Zeit!  M. Fö. Ba.

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