

Gestern Abend auf der Brücke
Es war Mitte Februar 1995 in Aachen-Haaren. Etwa zwischen 16 und 17 Uhr. Alle Gräben in der Gegend noch mit Schnee angefüllt, welcher sonst fast weggeschmolzen war - als mein jüngster Enkel Martin unbedingt noch die Enten im Haarbach füttern wollte. Omi Magda musste mit, auch wenn sie die Zeit für zu spät hielt. Also los!
Auf der Haarbach Brücke (eine aus Steinblöcken, kein Steg) hielten wir Ausschau nach den Enten. Ja, da waren sie, fünf Stück. Saßen im hoch geschwollenen Haarbach (sehr hoch durch Schneeschmelze). – Ja, aber, Brötchen vergessen.
Also – Spurt zur nahen Edeka, zwei Brötchen geholt, Martins Beinchen im Schnellschritt zurück zur Brücke. Omi teilt Brötchen und los gings. Martin, Nuckel im Mund, nuckelt heftig, Omi rief „Hallo, Hallo“ – aber die Enten guckten dumm, kamen nicht. Martin warf Brötchen, aber zu kurz, die Enten, als wollten sie sagen „Was wollen die denn??“ kamen nicht.
Omi nahm einen Brocken und warf, mit der linken Hand weit ausholend, das Brötchen in das rasch dahin rauschende Wasser, und auch ihr schöner Ring (ovaler Türkis mit kleinen Korallen) flog in hohem Bogen mit in den stark und hoch geschwollenen Bach. --- Die Enten machten sich davon. --- Omi außer sich!! Martin still – nuckelt heftig. Über uns die dunkle Regenwolke „Dunja“. Omi hängt verzweifelt am Brückengeländer, keine Seele weit und breit. ---
Ganz plötzlich eine leise Stimme an meinem Ohr: „Kann ich helfen?“
Eine männliche Gestalt neben mir. Sehr merkwürdig gekleidet, in eine Art Hausjacke, dunkel, mit breitem Band um die Hüfte geschlungen, etwas wie eine Baskenmütze auf dem Kopf, die Gesichtszüge durch vernebeltes Licht für mich nicht erkennbar.
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Martin holt Nuckel raus und erzählt dem Onkel: „Meine Oma hat ihren schönen Ring mit dem Brötchen ganz weit ins Wasser geschmeißt, ja! Und nun weint se. Ja!“
Die Gestalt: „Nun, wir werden sehen“, dreht sich zum Brückenabgang.
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Omi aufgeregt hinterher. „Bitte, bitte nicht, der Bach viel zu hoch und zu breit, fast schon düster, der Hang hinunter rutschig.“ Der Bach, einfach zu hoch, floss hurtig dahin.
Dieser Helfer zeigte nur seinen Rücken, hörte nicht auf mein Gejammer, hangelte sich hinunter und verschwand unter der Brücke.
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Martin, Nuckel raus: „O, jetzt ist der Onkel ganz weg!“ Heftiges Genuckel, aufgeregt!
Jetzt kam der Onkel hervor, kletterte mit Hilfe der Büsche das glitschige Erdreich empor und verschwand in der plötzlich vernebelten kleinen Wiese,
--- kam mit einer Gerte oder Rute zurück, rutschte und schlitterte den Hang hinunter, schwenkte die Gerte im Wasser hin und her – hin und her. Also meine Ansicht: Wie kann man in einem so hohen, schnell fließenden Bach überhaupt einen Ring finden? T, t, t, t.
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Martin, Nuckel raus: „O, jetzt hat er alles hingeschmeißt, guck, da kommt er wieder hoch. Oma, Dunja will regnen. Sie kommt ganz schnell runter und guckt…“ Nuckel rein.
Die Gestalt nähert sich uns, Oma geht auf sie zu. „Es war sehr lieb von Ihnen, mir helfen zu wollen, aber sehen Sie doch selbst, es ist aussichtslos.“ Als ich herankam ---
sagte er barsch, so der Ton: „Halt! Halten Sie die Hände auf!“
Sprachlos und verdutzt hielt ich beide Hände auf. Und er – legte meinen Ring in meine geöffneten Hände.
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Martin mit heftigem Nuckeln: „Oma, Dunja macht dunkel!“ „Ja, ja, wir gehen gleich!“
Ich drehte mich um, um mich wortreich zu bedanken … aber die Gestalt schon im Entweichen … holte ich ein. Er schlug beide Arme über seiner Brust zusammen, ließ sich nicht von mir berühren, sagte leise: „Nehmen Sie als Dank meine Freude, Ihnen zu helfen.“
Und verschwand in der nebligen dunklen Wiese.
Mit dem heftig nuckelnden kleinen Martin und „Dunja“ der Regenwolke spurteten wir, teilweise Martin auf meinem Rücken, nach Hause. Als ich die Haustür schloss ließ Dunja ihre Fluten herunter.
Ich suchte Tage und Wochen nach der geheimnisvollen Gestalt, wegen der Kleidung dachte ich an einen Pfarrer. Fragte Nachbarn und Bekannte, wurde ausgelacht.
- Was, ein Aachener? Niemals, ein Aachener wäre nie hilfsbereit, und niemals in solcher Situation. -
Den Ring habe ich noch! Also blieb es bis heute ein Rätsel, es war im Februar 1995.
Zwei Zeitschriften nahmen die Geschichte an, aber ich verbot, meinen Namen zu nennen.
Hier, an meinem 85. Geburtstag, noch ein Nachspiel.
Zu meinem 85sten Geburtstag war beschlossen, dass mich mein ältester Enkel Henrik besuchte, da er von einer großen Jahresreise (Indien und Amerika) zurückkommen wollte. Er hatte es zu meinem 84sten Geburtstag sehr fest versprochen. Dabei hatte er vor, mich auf ein Rursee-Schiff zu schleppen (weil ich doch nie auf ein Wasser wollte.)
Es war nun so weit, ich fuhr von Aachen mit dem Bus nach Simmerath, wo meine beiden Töchter wohnten. Henrik ist der einzige Sohn von Tochter Evi. Sie beschlossen beide, mich zu überraschen. Evi antwortete auf alle meine Fragen – ob Henrik denn nun wirklich auch zurück wäre? – Mm, es wäre ungewiss, sie wüssten auch gar nichts, denn Henriks Onkel Friedrich Rochow aus Potsdam war auch zu Besuch gekommen.
Also, da alle ihr heimliches Lächeln nicht verbergen konnten, hörte ich auf zu fragen und ging in den Garten. Dann zupfte mich einer von hinten – ein anderer hielt mich fest, und mir wurde eine längere silberne Kette umgelegt. In einer runden, silbernen Fassung war ein Türkis. Das Ebenbild von dem meines Rings, den Henrik aber nicht kannte. Ich trug ja den Ring nur zu besonderen Gelegenheiten, und am 85sten Geburtstag trug ich ihn. Das Erstaunen und die Sprachlosigkeit stellte die Geburtstagsgesellschaft mit offenen Mündern zur Schau.
Es wollte erst keiner glauben, dass es so etwas gibt.
Henrik kaufte den Schmuck in Indien, suchte in einer Passage mit Schmuckläden etwas für Ömchens Geburtstag. Dachte, O, dieses könnte ihr gefallen, ein größerer Türkis, er fragte seine Lebensgefährtin, welche ihm zustimmte, und für Henrik war die Sache geritzt.
Als sich beim Geburtstagskaffee das Erstaunen und Vergleichen gelegt hatte, wurde gerätselt.
Der kleine Martin, der den „Ringverlust“ miterlebt hatte, war inzwischen 15 Jahre alt.
Ende der rätselhaften Geschichte
Eine Woche nach meinem Beinahe-Ring-Verlust hatte ich nachts einen deutlichen Traum…
Jemand rief laut meinen Namen. Ein paar Mal, immer wieder. Ich setzte mich auf im Bett. Neben mir sprach laut eine Stimme: „Sehen Sie jetzt zur Tür!“
Aus der Tür kam ein großes, schönes Pferd, welches ein merkwürdiges Gefährt zog. Ohne Sitz, aber zwei große Räder mit einem Stehplatz. Darauf stand, in einem großen, mit Goldfäden verzierten Umhang diese Gestalt – wie im Ornat gekleidet.
Sah mich streng an, tippte mit seinem Zeigefinger unentwegt auf meinen Ringfinger der linken Hand, immer wieder.
Ich sprach im Traum (hörte mich selbst sprechen): „Ich habe meinen Ring versteckt in meinem Zimmer, aus Angst, dass ich ihn wieder verliere.“
Er schüttelte den Kopf und im Verschwinden tippte sein Zeigefinger auf meinen Ringfinger, so, als sagte er, ich solle ihn tragen.
Ende der Ringgeschichte!
Ein Wunder?
(Das hellgrüne Tuch)
Eine wahre Begebenheit
Ich stand auf dem Bahnsteig
in einem Dorf außerhalb -
erwartete den Zug,
trug lose am Hals
mein zartgrünes Tuch.
Ohne dies Tüchlein
ging nie aus der Tür -
es lag immer um mich,
war immer bei mir.
Der Zug kam mit Dampflok,
wollt‘ eben einsteigen,
der Westwind war schneller
mit dem Tüchlein zu entweichen
hoch über die Bäume -
nahm es mit fort.
Auf dem Bahnsteig, Herr G.,
der die Züge ließ fahren,
(seit meiner Kindheit -
bekannt wir uns waren)
hört‘ wie ich rufe
aus fahrendem Zug:
„Der Wind hat mein Tuch,
mein hellgrünes Tuch!“ ---
Der Bahner Herr G. rannte mit ein Stück ---
„Ich such nach dem Tuch,
wann kommst du zurück?“
Aus dem Zugfenster hob ich
der Finger zwei (zwei Tage).
„Ja, ja,“ rief Herr G.,
mach kein Geschrei.“
Nach zweien Tagen kam ich zurück.
Auf dem Bahnsteig Herr G. – ich hatte Glück.
Seine Worte: „Nach gründlicher Suche
in Büschen und Hecken -
nichts gefunden, auch nicht in den Ecken.“
Mein Tüchlein wurde nicht gefunden -
es war mit dem West – in den
Wolken verschwunden.
Ich sah nach dem Himmel
mit gemischten Gefühlen …
Und wieder blies sich auf
der hurtige West…
trug was auf den Schwingen
aber hielt es nicht fest –
Es flattert‘ und flog,
der West blies es plötzlich
über den Zug -
mir in die Hände!
Mein zartgrünes Tuch.
Ich stand erst mal starr???
Der Bahner, Herr G.,
schrie mit mächtigem „Forte“:
„Haste da Worte!
Doss moss ech minner Frau sööö.“
(Auf deutsch: Das muss ich meiner Frau sagen, so etwa.)
Mein Tüchlein!
Im Verhältnis zum DASEIN -
so winzig, so klein. ---
Wer kann dieser Helfer gewesen sein? -
Ein Engel? Der dem Westwinde hat
sehr streng befohlen:
„Gib ihr es zurück,
du hast es gestohlen!“
Der Zug spuckte Dampf,
machte sich auf die Räder,
sah ihn noch von hinten,
wie er zog vom „Läder“, und -
pfeifend umkurvte die Sieben Linden.
Anno 1973 – Erlebt in Tiefenort auf dem Bahnsteig. M. Fö. Ba.
P.S.: Herr G. erzählte es seiner Verwandtschaft und allen Bekannten (aber zuerst seiner Frau).